Wolfgang Grau - Musik, mein Leben
Musikpädagoge, Musikwissenschaftler, Komponist
(*1942)
Mein Leben ist erfüllt mit Musik, sie begleitet mich in allen Lebenslagen. Sie hat bekanntlich viele „Gesichter“. Früher war ich als Musiker durch zwei Ausrichtungen geprägt. Die eine betraf die europäische Musik von Barock bis Moderne, die andere war vorzugsweise bestimmt von diversen Stilrichtungen des Jazz. Nach meinem Studium wurde ich hauptberuflich Musikpädagoge auf verschiedenen Ebenen des Lehrens und Lernens. In den letzten Jahren richtet sich mein Fokus auf die Komposition klassisch-geistlicher Musik.
Musik in Kinderjahren
Mit klassischer Musik wuchs ich hörend und lernend auf. Unser Haus war buchstäblich durchdrungen von Musik. Mein Vater war professioneller Klarinettist und nebenbei guter Pianist: das gab ihm als Ausbilder die Möglichkeit, seine Klarinetten-Schüler am Klavier zu begleiten. Mir erteilte er von meinem fünften Lebensjahr an Klavierunterricht. Als ich in die Schule kam, konnte ich zwar meinen Namen noch nicht schreiben, jedoch Noten lesen. Im Alter von 12 Jahren wandte ich mich – der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – mehr der Klarinette zu, selbstverständlich unter Vaters Obhut. Auch meine sechs Jahre ältere Schwester erhielt von Kind an Klavierunterricht und begann mit 14 das Harfenstudium. Unsere Mutter sang gern, wenn auch nicht profi-profiliert. Ich durfte also in einem Haus aufwachsen, das voll Musik war, „klassischer“ Musik.
Die Zeit als Teenager, Jugendlicher & Student
Doch als ich 13 war, erfolgte ein fremdmusikalischer Einbruch. Buchstäblich! Ich hatte 1955 Gelegenheit, ein paar Titel im Stil des damals aktuellen, „weißen“ Cool Jazz (Gerry Mulligan) zu hören. Heute würde ich sagen, dass ich fast süchtig wurde. Doch wie packte es mich erst, als ich Bekanntschaft mit dem „schwarzen“ Hard Bop und den großen Big Bands des Jazz machte! Das ging tiefer als bloße Begeisterung. Derweil verfielen die meisten meiner Alterskameraden – wie zuvor Coca Cola, Kaugummi oder Blue Jeans – dem seit Mitte der 50-er Jahre aus den USA importierten Rock ’n’ Roll, hörend und tanzend. Apropos, mit dieser Art Musik samt ihren Vorläufern und Ablegern verdiente ich als Tanzmusiker vom 18. Lebensjahr an mehr als nur das Taschengeld, überwiegend per Saxofon. Aber dem war noch etwas vorausgegangen:
Etwa mit 15 verfremdete sich mein ehedem „so schöner“, rein klassischer Klarinettenklang in Richtung jazzigem sound, zum Leidwesen meines Vaters. Aber ich lernte umzuschalten, wie auf Knopfdruck. Ich war in eine der damals an (Jungen-) Gymnasien recht häufigen Dixieland Bands eingetreten. In den Folgejahren konnte ich in weiteren Stilarten des Jazz Erfahrung sammeln, bis hin zum Free Jazz. Neben all dem spielte ich (brav) im Schulorchester, zunächst als Klarinettist, nach qualifiziertem Unterricht auch als Schlagzeuger.
Musiker, Musikpädagoge, Musikwissenschaftler
Auch als ich 1963-68 in Frankfurt Schulmusik studierte, fuhr ich stilistisch zweigleisig, gehörte aber eher zu den jungen Musikern, die synthesebildend mit der damaligen „free music“ experimentierten, als Instrumentalist wie als Komponist.
Nach der Ausbildung an der Musikhochschule und Universität Frankfurt am Main war ich durchgehend als Musikpädagoge auf verschiedenen Ebenen des Lehrens tätig. Über all die Jahre spielte ich in diversen Jazzformationen, überwiegend in Big Bands. Das weite Feld des Jazz sowie der sich stilistisch rasant verzweigenden Rockmusik und Verwandtes bearbeitete ich in Forschung und Lehre. In Hessen war ich derjenige, der im Rahmen der Bildungsreform der 70-er Jahre dem Jazz einen gewichtigen Platz im Lehrplan schuf, damals „Rahmenrichtlinien“ genannt. Das führte zu diversen Rufen im Rahmen der Lehreraus- sowie Lehrerfortbildung.
Persönliches
Mit 52 Jahren hatte ich ein Bekehrungserlebnis und wurde bekennender Christ. Die Umkehr zog eine Neubewertung all dessen nach sich, was mir einmal wichtig war – ein Paradigmenwechsel also. Als Klarinettist wendete ich mich vor allem der Kammermusik zu. Als kreativer Musiker produziere ich seitdem nur noch Geistliches: Chor- und Gemeindelieder zum Lob Gottes, heilsam sowie heiligend-erbauliche Musik und Abhandlungen zur Theologie der Musik.
Dass ich als Komponist geistliche Musik schaffe, hängt auch mit den entsprechenden Anregungen zusammen, vorab den entsprechenden Textvorlagen; denn ich durfte Lyriker kennen lernen, die auf geistlichem Sektor wertvolle Gedichte verfassen oder hinterlassen haben. Durch diesen inspirativen Hintergrund haben sich zwei spezielle Arbeitsfelder ergeben. Erstens die Vertonung von Psalmlyrik, wie sie sich vorab durch das umfassende Psalterwerk des Dichter-Pfarrers Prof. Dr. Helmut Lamparter (1912-1991) ergab. Zweitens die musikalische Umsetzung von Gedichten junger Lyriker, die ihre hervorragende Begabung nicht wirklich ausleben konnten, weil sie im Zweiten Weltkrieg – oder dadurch mitbedingt – zu früh aus dem Leben gerissen wurden. Deren durch höchst widrige Lebensumstände umso früher gereiften Lyrikerstimmen in potenzielle Gemeindelieder zu kleiden, wurde mir ein tiefes Bedürfnis. Inwieweit diese jüngst gewachsenen, musikalischen Früchte einer singenden Christenheit werden dienen können, muss sich noch zeigen. Dass gerade diese Lieder entstehen konnten, geht auf die Anregungen zweier christlicher Persönlichkeiten zurück, die ich hier namentlich anführen möchte: Josef Butscher und Marion Heide-Münnich
Mein musikalischer Grundsatz
Mein Grundsatz bei aller textgezeugten Musik vom einstimmigen Lied bis zur vielstimmigen Motette ist von der Kunstmusik her geprägt: Die Musik verdeutlicht das Wort mit den ihr eigenen Ausdrucksmitteln und dient so der göttlichen Botschaft wie der gläubigen Seele. Das macht für mich Musik geistlich und heilsam. Mein diesbezüglich weitergehendes Bekenntnis kann der Textausgabe „Anmerkungen und Erläuterungen" der Psalmliederedition "Wecken will ich das Morgenrot“ entnommen werden.