Psalmlieder

Helmut Lamparter - Leben, Wesen, Werk

Foto: Helmut Lamparter

Helmut Lamparter (1985)

(Mit freundlicher Unterstützung seiner Söhne, Dr. Jörg Lamparter und Dr. Ulrich Lamparter, sowie seines Neffen Helmut Elsäßer, Pfarrer a.D.)

1912 aus einer Kaufmannsfamilie hervorgegangen, zeichnen sich schon früh seine außerordentliche Begabung sowie seine Neigung zu einer akademischen Laufbahn ab. Nach seiner Einschulung mit fünf Jahren erfolgten alle schulischen und berufsvorbereitenden Abschlüsse so frühzeitig, dass er sein Examen in Evangelischer Theologie bereits mit 21 Jahren ablegt.

Mit dem Ziel, Pfarrer zu werden, beginnt er seine Vikariatszeit durch Betreuen einiger weitverstreuter Gemeinden der Württembergischen Landeskirche, wird aber 1935 wegen regimekritischer Äußerungen sicherheitshalber nach Oberschwaben versetzt.

Zweiter Weltkrieg

Helmut Lamparter mit einer Mutter Anna

Helmut Lamparter mit seiner Mutter Anna um 1943

1940 zum Waffendienst eingezogen, befindet er sich von 1941 bis zum Kriegsende im Fronteinsatz, überwiegend in Russland. Einmal schwer verwundet, entgeht er dem Tod nur knapp. Danach arbeitet er als Sanitätsgefreiter, doch ebenfalls an vorderster Front. Keine Waffe mehr führen zu müssen, kommt ihm aus ethischen Gründen sehr entgegen. Er wird wegen Tapferkeit bei der Bergung Verwundeter ausgezeichnet.

Nach seinem eigenen Empfinden hat er den Krieg Dank göttlicher Gnade überlebt. Das pflegte er immer wieder deutlich zu machen, aber ansonsten sprach er kaum über seine Kriegserfahrungen. Trost suchte und fand er in Gottes Wort, besonders im Psalter. Die gefühlte Nähe Gottes und zu Gott sowie das intensive Eintauchen in die Psalmen führt bereits in schwerster Zeit zu deren Bereimung. Diese Erstfassung überarbeitet er im nachfolgenden Jahrzehnt. Das Ergebnis erscheint 1962 als Gedichtband im Calwer Verlag unter dem Titel „Wecken will ich das Morgenrot – Ein Psalter“.

Flucht und Nachkriegsjahre

Der Kriegsgefangenschaft kann er entkommen, weil es ihm gelingt, in Ulm vom fahrenden Zug zu springen. Über die schwäbische Alb schlägt er sich nach Mittelstadt bei Reutlingen durch, um seine dort lebende Schwester Elsa Elsäßer mit ihrem kleinen Sohn Helmut aufzusuchen. Sie wohnt im Pfarrhaus, weil ihr Mann in Mittelstadt Pfarrer gewesen war. Doch wurde er beim Kampf um Stalingrad schwer verwundet und starb in einem Lazarett in Rostow am Don. Dessen Pfarrstelle kann der heimgekehrte Schwager übernehmen. Im zuständigen Dekanat rät man ihm dringend, schon am Sonntag darauf den Predigtdienst aufzunehmen; denn wenn er auf der Kanzel stehe, werde niemand nach dem Entlassungsschein fragen ...

In dieser Nachkriegssituation ist es ein denkbar glücklicher Umstand, dass der Patenonkel Helmut für den Neffen praktisch Vaterstelle einnimmt und alle drei im Pfarrhaus wohnen können, die junge Mutter und Kriegswitwe, ihr kleiner Sohn, sowie ihr heimgekehrter Bruder. Das wäre bei anderweitiger Besetzung dieser Pfarrstelle kaumt möglich gewesen. So ergab sich eine Reihe glücklicher Fügungen, was auch für die Folgejahre gilt. In dieser Zeit arbeitete Helmut Lamparter u.a. bereits an den Kommentaren zum Buch Hiob und zu den Psalmen, die neben anderen seiner Auslegungen in der Reihe „Die Botschaft des Alten Testaments“ im Calwer Verlag erschienen sind.

Helmut Elsäßer berichtete anlässlich der Trauerfeier für seinen geliebten Onkel und "Ersatz-Vater" im Jahre 1991:

„Diese erste Zeit nach dem Krieg war eine besondere Zeit. Er [sein Onkel – Vf.] hat später öfter davon gesprochen. Ihm selbst war gewissermaßen das Leben neu geschenkt. Er hatte im Krieg Schreckliches durchgemacht ... Davon hat er allerdings nur selten gesprochen. Sein Grundsatz war: ‚Ich vergesse, was dahinten ist und strecke mich aus nach dem, was vorne liegt’ (Phil. 3.13)."

Familie Lamparter

1950 kommt es zur Eheschließung mit der Pfarrerstochter Lore Maußhardt aus Sindelfingen. 1951 erblickt der Sohn Ulrich und 1953 sein Bruder Jörg das Licht der Welt.

1955 kommt es zur Auflösung der glücklichen Hausgemeinschaft im Pfarrhaus Mittelstadt, weil Helmut Lamparter eine Dozentenstelle am Pädagogischen Institut Stuttgart antritt.

Der Mensch Helmut Lamparter

Leben, Wesen und Werk aus der Sicht naher Verwandter *)

Im Weiteren äußerte H. Elsäßer anlässlich der Trauerfeier 1991 in Tübingen, dass es H. Lamparter ein ...

Lamparter als junger Dozent

Lamparter als Dozent um 1964

... „Anliegen war, so zu schreiben, dass es wissenschaftlich gründlich und doch für jedermann gut verständlich und zugleich seelsorgerlich war ... Sicher hat er auch meine Entscheidung, Theologie zu studieren, mit beeinflusst. Er hat aber nie versucht, mir eine bestimmte Linie aufzudrängen, hat aber doch immer mit großem Interesse mein Studium verfolgt ...

Er war ein Mensch, der mit Leib und Seele Theologe und Pfarrer war, auch noch als Professor an der PH [Pädagogische Hochschule]. ‚Schäme dich nicht des Zeugnisses unseres Herrn; sondern leide mit für das Evangelium nach der Kraft Gottes’ (2. Timotheus 1,8). Das war sein Denkspruch und dem ist auch zeitlebens gefolgt ...

Stark geprägt war er auch durch den Kirchenkampf. Da galt es, das ‚frei Bekenntnis’ zu bewahren. In seiner Verkündigung wollte er sich nicht nur bei der Analyse der Probleme aufhalten. Es ging ihm darum, die Größe und Heiligkeit Gottes herauszustellen, die in Jesus aufleuchtet. Diese Hoheit und Herrlichkeit Jesu wollte er bezeugen. Gerade indem der Mensch sich vor ihm beugt, gewinnt er seine Freiheit dem Menschen gegenüber. ‚Dem größten König eigen’, das macht die Freiheit und Würde des Christenmenschen aus. Darum konnte er auch unbekümmert von irgendwelchen Zeitströmungen seinen Weg gehen, wobei er aber alles andere als mit Scheuklappen herumlief.

Im ständigen Gespräch mit seinen Studenten, theologisch, philosophisch und auch literarisch hochgebildet, konnte er es mit jedem aufnehmen.

Will man ihn persönlich charakterisieren, so war er ein Mann des Wortes. Aus allen seinen Predigten und Veröffentlichungen spricht eine große Klarheit ... Da ist nichts Verwaschenes und Unklares. Dazu kommt auch die Schönheit seiner Sprache. Er hatte eine sehr bildhafte Sprache, die nicht zuletzt aus der Bibel geschöpft war. Er machte keine unnötigen Worte und war kein Freund von endlosen Diskussionen. Bewundernswert war auch seine Selbstdisziplin, ohne die er niemals so viel hätte leisten können.

Dabei ist er nicht nur in der Arbeit aufgegangen. Immer hat er sich auch Zeit genommen zum Sport ... und zu Spaziergängen, zur Erholung und für die Familie. Aber das alles hat er bewusst eingeplant. Verplempert hat er die Zeit nie, denn ‚alle Zeit ist anvertraute Zeit’. Seine Entscheidungen hat er immer rasch und zielbewusst getroffen. Durch seine hohe Selbstdisziplin war er uns, hier schließe ich sicher auch meine beiden Vettern mit ein, immer ein großes Vorbild.

In den letzten Jahren hat er darunter gelitten, dass er nicht mehr so konnte wie früher, er, der sprühende Geist ... Aber er hat nie geklagt. Seine Zuflucht nahm er auch da zu seinen geliebten Psalmen. Eines dieser Psalm-Worte wollte er denn auch über sein Begräbnis gestellt wissen: ‚Ich aber will schauen dein Antlitz in Gerechtigkeit, ich will satt werden, wenn ich erwache, an deinem Bilde’ (Psalm 17,15)."

An dieser Stelle sei ein poetisches Lob des Dichters Lamparter auf die Psalmen eingebracht. Das dreistrophige Vierzeilerchen bildete die inspirative Grundlage für das Eingangslied der im Strube Verlag, München erschienenen Psalmlieder-Edition unter dem Titel „Wecken will ich das Morgenrot“.

O dass es Psalmen gibt,
die jubelhellen,
und die man singen kann
an Tränenquellen!

Sie lassen keinen leer,
der ihren Trost begehrt,
sie leuchten sternenhell,
wie lang die Nacht auch währt.

Sie tragen dich empor
auf starken Schwingen.
Ach, nur der Engel Chor
kann schöner singen!

Gedenkfeier zum 100. Geburtstag

Im Rahmen der Gedenkfeier zum 100. Geburtstag 2012 in Stuttgart-Vaihingen charakterisierte Herr Dr. Ulrich Lamparter seinen Vater folgendermaßen:

„Er arbeitete hoch konzentriert, liebte den klaren sprachlichen Ausdruck, wollte die Menschen wirklich erreichen. Zeitverschwendung war ihm ein Gräuel. Der Fußweg war für ihn der Weg zur Gesundheit. Er liebte den frühmorgendlichen Waldlauf ... und konnte beim Frühstück wunderbar von den Rehen erzählen, die er dabei gesehen hatte ... Uns Söhnen vermittelte er die Freude an der Sprache, die Liebe zum Faustball und zum Fahrradfahren und zu den Bergen. Wir verbrachten wunderschöne Urlaube ... Unentschiedenheit, Ambivalenz oder Unklarheit schmeckten ihm nicht. Der Raum sollte frei sein, damit sich Gottes Gegenwart entfaltet. Seine Theologie ist nach meinem persönlichen Dafürhalten nur verständlich, wenn man bedenkt, wie sehr er im Krieg darum ringen musste, nicht zu verzweifeln.“

Anlässlich der Gedenkfeier in Stuttgart-Vaihingen traten auch andere Stimmen für Helmut Lamparter ein. Zwecks biographischer Abrundung sei Helmut Weingärtner als der Stellvertretende Vorsitzende des Beirats der Calwer Verlag GmbH zitiert. Er sagte, „dass Lamparter in 30 Jahren 23 Bücher und Schriften veröffentlicht habe. [Anmerkung des Vf.: Diese quantitative Aussage gilt nur für Veröffentlichungen im Calwer Verlag. Doch erschien Literatur von H. Lamparter auch in anderen Verlagen.] 1962 wurde Lamparter in den Vorstand des Calwer Verlags gewählt, von 1974 bis 1982 war er Vorsitzender des Verlagsvereins. In dieser Zeit habe er vor allem religionspädagogische Werke und Schulbücher in den Blick genommen. ‚Biblisch theologische Bildung für jeden Geldbeutel war sein Ziel’.“ (Zitiert aus dem Bericht zur Gedenkfeier vom 28.09.2012 von Eberhard Fuhr.)

Über einen anderen Tätigkeitsbereich aus H. Lamparters reichem Wirken sprach Hermann Hörtling als der amtierende Vorsitzende des Fördervereins Evangelisches Jugendwerk e.V. in Württemberg, ein Mitinitiator der Gedenkveranstaltung in Vaihingen: „Es ist wichtig für das ejw, sich an die Väter und Mütter der evangelischen Jugendarbeit zu erinnern.“ Im Weiteren informiert er darüber, dass Lamparter von 1960-1971 Vorsitzender des Evangelischen Jungmännerwerks war und dass in dieser Zeit die Weichen für die Fusion mit dem Evangelischen Mädchenwerk gestellt wurden. In der Nachkriegszeit bis in die 70-er Jahre sei der Theologe prägend für die evangelische Jugendarbeit in Württemberg sowie für Generationen von Studierenden der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg gewesen. (Zitiert nach Eberhard Fuhr.)

Die biographischen Ausführungen seien mit einem Gedicht abgeschlossen, das den Stellenwert des Wortes Gottes für Helmut Lamparter zum Ausdruck bringt. Es bildet in seinem Gedicht-Bändchen „Anrufe“, dass 1978 im Calwer Verlag erschien, den Abschluss:

Hört und merkt, um was ich bitt’,
wenn ich heimwärts fahre:
Gebt mir meine Bibel mit
in die Totenbahre!

Durch Jahrzehnte war sie mir
Quell der Kraft und Wonne,
Schild und Trost und Jagdrevier,
im Gewölk der Sonne!

Höher schlug mein Herz, so oft
sie zu mir gesprochen.
Heilsam hat sie unverhofft
meinen Stolz zerbrochen.

Auf der Kanzel, am Altar,
in den Sterbe-Kammern,
im Granatloch – wo’s auch war,
durft’ ich sie umklammern.

Ihren Text hab’ ich befragt,
und doch nie ergründet.
Ihr hab’ ich mein Leid geklagt,
ihren Trost verkündet.

Gebt mir meine Bibel mit
auf die letzte Reise,
dass ich, wenn mein Leben flieht,
vor dem Thron sie preise!

*) Man mag einwenden, dass es nicht gerade vom Willen zur Objektivität zeugt, zum Wesen oder Charakter einer Persönlichkeit deren nahe Verwandte zu befragen. Aber es gibt genug Quellen außerhalb dieses Kreises, welche die Qualitäten Helmut Lamparters uneingeschränkt bezeugen. Andererseits haben gerade nächste Verwandte Einblick in Wesensmerkmale, die Außenstehende nicht haben können. Diesbezüglich gäbe es eine solche Fülle positiver Erziehungs- und Erlebnisfakten, wie sie hier nicht ausgebreitet werden können.